„Vom Hopfen gekratzt“
Von der Kistenfabrik zum Hopfengutwahnsinn!
Bei uns in Tettnang sagt man: „Wen der Hopfen einmal...
Der letzte Wagen wird vor der Maschine abgeladen, eine Ranke nach der anderen hineingezogen, der Hopfenhaufen schrumpft und schrumpft, bis nur noch eine einzige Pflanze auf dem Hallenboden liegt: “Die letzte Ranke” *. Die Maschine wird abgeschaltet und durch das gesamte Hopfengut schallt die Nachricht: “Es ist soweit!” Die Familie und das ganze Team eilen herbei und versammeln sich, bereit für das traditionelle, strikte Ritual. Der Maschinist schaltet ein letztes Mal den blechernen Drachen ein und alle beobachten ganz bewusst und andächtig, wie die letzte Ranke im Pflücker verschwindet. Nachdem die Maschine erneut zum Stehen kommt und der Lärm verklingt bleibt ein kollektives Aufatmen, Schulterklopfen, Anstoßen und dieses unbeschreibliche Gefühl der Freude und Erleichterung. Die Hopfenernte 2020 ist geschafft!
Ziehen wir Bilanz für diese aufregenden 30 Erntetage und starten mit dem Gaststätte-Trubel zur Erntezeit. In einer unglaublichen Teamleistung wurden unzählige Liter Bier gezapft, Schnitzel geklopft und Kuchen gebacken. Dabei waren wir zu Beginn sehr aufgeregt, wie eine Hopfenernte inmitten der Coronakrise ohne Busgruppen aussehen wird. Aber auf unsere zahlreichen Erntebesucher war Verlass. Dank unseres Kräutergartens hatten wir viele zusätzliche Sitzplätze und das beruhigende Gefühl, unseren Gästen genügend Abstand geboten zu haben. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir unserem ausgeklügelten Hygienekonzept trotz Besucherandrang und viel Arbeit treu geblieben sind. Dafür spricht viel Zuspruch unserer Gäste sowie die mehr als 50 verbrauchten Liter Desinfektionsmittel.
Damit die vielen tausend Besucher möglichst verteilt unser Erntespektakel im Betrieb und Museum hautnah erleben konnten, boten wir erstmals 4 und nach Bedarf sogar 10 öffentliche Führungen pro Tag an. So ertönte insgesamt 185 mal ein fröhliches “Herzlich Willkommen zur Ernte live erleben auf dem Hopfengut No20”, zwar vor kleineren aber nicht minder begeisterten Gruppen.
Anfängliche Anspannung gab es auch im landwirtschaftlichen Ernteteam. Nachdem alle Mitarbeiter ihren Coronatest negativ absolviert hatten kamen erste Gerüchte über neue Coronaregelungen auf. Maskenpflicht in der Maschinenhalle? Unvorstellbar für den ein oder anderen in der Mannschaft. Doch natürlich ist auch die Landwirtschaft nicht von der Coronakrise verschont und so mussten auch hier Abläufe angepasst werden. Unsere Pflückmaschine selbst ist einwandfrei durch die Ernte getänzelt. Und dennoch gibt es aus der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen einiges zu erzählen. In Stichworten: ein durchgescheuerter Einzugsarm, eine eingelaufene Welle, ein abgestürzter Befüllungsschlitten, zwei des nächtens aufeinander gekippte Laden, ein fälschlicherweise zu früh geernteter Garten, sowie ein umgekipptes Reißgerät, dafür aber Kuchen. Verlieren wir uns nicht in Details. In den einzigen drei Regentagen konnten wir eine Pause einlegen und als wir glaubten, es beginnt schon wieder zu regnen stellte sich heraus, dass dies nur ein besorgter Mitbürger war, der die Geschwindigkeit der Reißgeräte mittels Gartenschlaucheinsatz regulieren wollte.
Im Vergleich zu anderen Jahren waren leider weniger Brauer zu Besuch. Unsere amerikanischen und australischen Freunde und Kunden hatten durch die aktuellen Umstände natürlich nicht die Möglichkeit zum Hopfengut zu reisen. Dafür konnten wir auf unsere regionalen Brauer zählen. Es war uns eine Freude, uns ausreichend Zeit zu nehmen um mit ihnen das Marktgeschehen, so wie die Hopfenqualität 2020 zu diskutieren.
Jetzt wo unsere Hopfenhalle voll ist, die Sackliste geschrieben, und alle Qualitäten bestimmt, wissen wir, das Hopfenjahr 2020 war ein gutes Erntejahr! Zeit unseren Hopfen in die Verarbeitung zu geben, Zeit die ersten Container zu packen und den Hopfengut Sudkessel für die Winterbiere anzufeuern! Die nächsten Monate werden bestimmt nicht langweilig. Zum Glück.
*Anmerkung zur letzten Ranke: Strenggenommen war es die vorletzte Ranke denn die letzte Ranke wird von Hand abgeerntet für unsere Hopfensau. Mehr erfahrt ihr dazu in Kürze im Blog “Hopfensau 2020”.